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Wer im Netz nach Informationen zur Funktionsweise eines Kompressors sucht wird schnell bei Wikipedia fündig – hier heisst es „Mit einem Kompressor wird in der Tontechnik ein Effektgerät aus der Gruppe der Regelverstärker bezeichnet. Er gehört zur Gruppe der Dynamikprozessoren und dient der Einschränkung des Dynamikumfangs eines Signals.“
Dieser Definition will ich jetzt nicht prinzipiell widersprechen, dennoch sind Kompressoren für mich eher Werkzeuge zur tonalen als zur dynamischen Manipulation. Um laute Stellen leiser zu machen, und leise anzuheben, haben wir in unserem modernen DAW-Programmen auch andere Mittel.
In diesem Artikel geht es um Kompressoren als Klangformer, und um die Obertöne, welche der Kompressor – signalabhängig – zum Eingangssignal hinzufügt. Natürlich sind hier AUCH Veränderungen des Dynamikumfangs im Spiel, aber, wie ich an anderer Stelle ausführen werde, sollte ein Kompressor nicht vordergründig dafür verwendet werden, um besonders leise oder laute Stellen des Signals zu Korrigieren.
Als Mix Engineer habe ich über viele Jahre ein Gefühl für viele verschiedene Typen von Kompressoren entwickelt, und wenn ich mische, treffe ich meine Auswahl sehr intuitiv. Bestimmte Kompressor-Typen stehen für einen spezifischen Sound bzw. eine Art, die Quelle in eine bestimmte klangliche Richtung zu verändern.
Natürlich braucht es viele Jahre Praxis um ein Gefühl für spezifische Geräte zu entwickeln. Es ist schwerer, diese Intuition bei der Verwendung mit Plug-ins zu entwickeln, aber es ist dennoch möglich, sowohl mit Hardware als auch mit Plugins ähnliche Ergebnisse zu erreichen.
Die original Hardware-Geräte sind meist nur in einem Punkt anders – sie zeigen mehr Färbung und Verzerrungen, wenn man sie mit extremen Pegeln versorgt. Diese Extreme vereinfachen es, die Charakteristik des Gerätes zu verstehen.
Um diese einfacher nachzuvollziehen analysieren wir in diesem Artikel die Charakteristik beliebter Kompressor-Plugins, die einige Leser sicher ebenfalls aus Ihrer eigenen Arbeit kennen.
KOSTENLOSER Kompressor Harmonics Test
Für Logic Pro X, ProTools 2018, Cubase 10, Studio One 4 und Ableton Live 10
Zusammengefasst zeigt der Test folgendes: im 1. Durchgang verändert der Kompressor den Pegel überhaupt nicht, im 2. Durchgang erfolgt leichte Kompression, im 3. Durchgang extreme Kompression. Ach ja… jeder Durchgang endet mit einem 100 Hz-Ton – dadurch sind die entstehenden Obertöne sehr einfach im Analyzer abzulesen:
2. Oberton = 200 Hz
3. Oberton = 300 Hz
4. Oberton = 400 Hz
5. Oberton = 500 Hz
n. Oberton = 100 Hz x n
Zum Verständnis zeige ich hier einen Testdurchlauf OHNE KOMPRESSOR in der Signalkette, also den reinen Testton vom Oszillator.
Wie man sieht, zeigt der Analyzer einfache Sinus-Töne, ohne zusätzliche Obertöne. In der Physik und Musiktheorie wird dieser Sinuston als „1. Oberton“ bezeichnet, was etwas verwirrend ist, den tatsächlich ist dies die Bezeichnung für den Grundton bzw. die Basisfrequenz.
Um gleich mit einem extremen Kontrast einzusteigen – so sieht das ganze aus mit einem Plug-In Klon des legendären Fairchild 670 Kompressor, der bekanntlich einer der teuersten und meist-gesuchten Röhrenkompressoren auf dem Markt der Vintage-Kompressoren ist.
Ich gehe davon aus, dass die Plugin-Entwickler ähnliche Tests verwendet haben, um mit endlosen Feinabstimmungen der Original-Hardware möglichst nah zu kommen.
Die Obertöne sind bereits im ersten Durchlauf zu erkennen, aber sie werden mit zunehmender Kompression zunehmend stärker. Je tiefer der Sinuston, desto mehr Obertöne erscheinen im Analyzer – im 3. Durchgang addiert das Plugin über dem 55 Hz Sinuston insgesamt 13 (!!!) Obertöne.
Wenn der Oszillator 2000 Hz erreicht, werden darüber keine Obertöne mehr addiert.
Es wird absolut klar, warum der Fairchild bei allen Sounds, insbesondere auch tiefen Klängen wie dumpfen Bass-Sounds oder einer 808 Subsonic Kick ein reichhaltigeres Obertonspektrum verleihen kann.
Diese Sounds setzen sich dann auf kleineren Abhörsystemen besser durch, da die Obertöne die Identifikation des Grundtons für den Hörer erleichtern.
Auf der anderen Seite ist ein Kompressor wie der Fairchild nicht optimal, um nur die reine Lautstärke zu korrigieren, denn der Test macht ganz klar, dass bei zunehmender Kompression das Frequenzspektrum der Klangquelle verändert wird.
Im Gegenteil: Es ist sogar wichtig, dass der Sound bereits dynamisch unter Kontrolle ist BEVOR man den Fairchild in die Plugin-Kette einfügt.
Es gibt andere Wege, einer Aufnahme eine kontrollierte Lautstärke zu geben: Man kann sich die Wellenformen der Aufnahme ansehen und ganz einfach leisere Parts anheben, lautere Parts leicht absenken und automatisieren, und oftmals zeichnet es auch die Qualität eines guten Musikers aus, dass eben jene Dynamik von vorne herein stimmt.
Denn wenn das Signal erst einmal einen soliden, kontinuierlichen Pegel hat, kann man einen Röhrenkompressor verwenden um das Frequenzspektrum mit Obertönen anzureichern. Was mich fast dazu verleitet, zum Thema Parallelkompression ins Detail zu gehen – man stelle sich nur vor, welche klanglichen Möglichkeiten sich ergeben, wenn man die gleiche 808 Kick, einmal clean, einmal mit Obertönen angereichert, auf zwei Mischpultkanäle legt, und dann per Hand mit Fadern die richtige Balance einstellt. Das mit Obertönen angereicherte Signal kann man dann, „POST COMPRESSION“, sogar mit einem Low Cut / High Pass versehen, um nur die addierten Obertöne dazuzumischen.
Der Waves CLA-3A ist ein Plugin Klon des Original Universal Audio LA-3A Kompressor/Limiter. Im Unterschied zum Fairchild ist er wesentlich besser geeignet, um reine Pegelkorrekturen vorzunehmen.
Der LA-3A addiert nur einen einzigen Oberton (den 3.). Der LA-3A kann auch hervorragend zusammen mit dem Fairchild in einer Signalkette genutzt werden. Der LA-3A ebnet kleine Pegelunterschiede sehr souverän ein, der Fairchild kann dahinter für eine Färbung sorgen, wenn gewünscht.
Der LA-3A wird typischerweise zum stabilisieren der Pegel von Bässen, Gitarren und auch Gesang eingesetzt, und ist weniger geeignet für perkussive Sounds, die Reaktionszeiten sind zu langsam, um einen Schlagzeug-Sound zu kontrollieren.
Der Waves CLA-2A ist ein Plugin Klon des Teletronix LA-2A. Das Schaltungsdesign ist ein paar Jahre älter im Vergleich zum LA-3A. Es erzeugt mehr Obertöne als der LA-3A, aber lange nicht so viele wie der Fairchild.
Sehr oft verwendet für Bass, Backing Vocals oder entspannte Lead Vocals. Ein langsamer und behutsam arbeitender Röhrenkompressor.
Der Waves CLA-76 ist ein Plugin Klon des Universal Audio/UREI 1176. Der 1176er wurde in verschiedenen Revisionen hergestellt, die sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden. Die „Blue Stripe“-Version, erkennbar durch den blauen Streifen im Bereich des VU-Meters ist die allererste Version aus dem Jahr 1967.
Fast alle Plugin-Hersteller bieten eine Interpretation des 1176 an. Die Version von Waves gefällt mir persönlich sehr gut, und sie hat die Typenbezeichnung „CLA“ da Waves das Plugin gemeinsam mit Herrn CLA, auch bekannt als Chris Lord-Alge, entwickelt hat.
Der 1176er erzeugt eine sehr dichte Struktur von Obertönen, klingt dabei aber im Kontrast zum Fairchild EXTREM aggressiv, und kann je nach Einstellung Signalen superschnell folgen. Dadurch ist der 1176 sehr flexibel, und kann für sehr viele unterschiedliche Klangquellen verwendet werden – von Drums bis Gesang.
Der 1176er ist einer der bekanntesten Studioklassiker, und wer ein Rack davon in seinem Studio hat, hat eigentlich in Sachen Kompression schon ziemlich ausgesorgt.
Eine der Anwendungen, bei denen die Revision A (Blue Stripe) glänzt, ist Lead Vocals einen aggressiven Charakter zu verleihen und sie im Mix ganz nach vorne zu bringen. Je höher der Eingangspegel und damit die Kompression ist, desto reichhaltiger wird das Spektrum an erzeugten Obertönen.
Dies funktioniert natürlich dann besonders gut, wenn das Signal schon dynamisch von einem anderen Kompressor vorkomprimiert ist, so dass der 1176 gezielt für für die aggressiven Obertöne eingesetzt wird.
Der SSL ist natürlich einer der bekanntesten Kompressoren für die Stereosumme, nicht nur als beliebtes DIY-Projekt für Elektronikbastler, sondern auch in Form von einer endlosen Zahl an Plugin Klons.
Waves hat als erste Plugin-Firma direkt mit SSL zusammengearbeitet, um eine der ersten echten Emulationen zu entwickeln, die sich strikt an der Original Hardware orientiert. In der Folge ist die Waves SSL-Collection mittlerweile zu einem eigenständigen Klassiker geworden, genau wie die original SSL 4000 E- und G-Serie Mischpulte.
Natürlich macht der SSL ein exzellenten Job, wenn es darum geht ein Signal zu stabilisieren, und er fügt mit zunehmender Kompression mehr Obertöne hinzu. Der Trick ist, das man lediglich Peaks des fertigen Mix, oder einer Mix-Gruppe komprimiert, und der SSL diese sehr elegant komprimiert und gleichzeitig mit Obertönen anreichert, quasi als Kompensation für den verloren gegangen Pegel. Dieser Effekt wird von vielen Fans des SSL als Mixbus-„Glue“ beschrieben und ist der Grund für seine Popularität.
Der SSL Channel Compressor, ebenfalls Teil der Waves SSL-Plugins, addiert sehr grelle und aggressive Obertöne, und hat wie wenig andere Kompressoren die Fähigkeit, ein perkussives Signal kompakt, greifbar und kontrollierbar zu machen. Daher ist der SSL Channel Kompressor bei vielen der Top Mix Engineers weiterhin die erste Wahl für Kick, Snare und alle Arten von Percussion – macht Drumsounds durchsetzungsfähiger und verleiht Punch.
Der Summit TLA-100A ist ein sehr subtiler Röhrenkompressor. Die original Hardware findet als „Tracking“ Kompressor unter anderem Verwendung bei Engineer Al Schmidts Produktionen, u.a. auf Diana Krall’s Stimme, um vereinzelte Peaks während der Aufnahme mit leichter Kompression abzufangen.
Der Summit addiert ein paar Obertöne, wenn man in die Kompression geht. Eine passende Einstellung für viele Quellen ist schnell gefunden, dank nur je 3 Settings für Attack- und Release. Ein sehr subtiler Kompressor zur Stabilisierung von Pegeln.
Das Design dieses Kompressor Plug-Ins geht zurück auf der erste Version von Logic Mitte der 90er Jahre. Es ist tatsächlich das EINZIGE Plug-In in unserem Test, das den Klang in keiner Art und Weise färbt, also tatsächlich für Anwendungen geeignet, wo es rein um Korrektur der Dynamik geht, ohne jegliche Addition von Obertönen
Die aktuelle Version des Plug-Ins in Logic Pro X hat gegenüber der Ur-Version verschiedene Modi wie z.B. „VCA“, um statt dem „verfärbungsfreien“ Platinum-Mode auch hier Obertöne zu addieren und einige der Kompressoren zu emulieren, die wir gerade besprochen haben.
Wer keine größere Sammlung von Outboard-Kompressoren oder Plugins hat, dem kann ich empfehlen, sich ein einzelnes universelles Plug-In zuzulegen, das eine große Klangpalette abdeckt. Die Emulationen der Klassiker sind, wie Ihre Hardware-Vorbilder oft „one trick ponys“, und decken nur einen spezifischen Klangbereich ab.
Wem dieser Artikel gefallen hat, sollte mal ins Inhaltsverzeichnis des Bestsellers YOUR MIX SUCKS reinschauen. Das eBook ist in Kürze auch in deutscher Sprache erhältlich.