DIREKT ZU: YOUR MIX SUCKS • MIX TEMPLE PRO • MASTER FEEDBACK • MIX COACHING
Dieser Artikel ist eine Vorab-Version zum Thema Monitoring, aus dem Bestseller-eBook YOUR MIX SUCKS, welches nun auch in deutscher Sprache erschienen ist.
Diskussionen rund ums Thema Studio-Monitore sind bei Musikern sehr beliebt, und bleiben meistens ohne Ergebnis – jeder schwört auf die Boxen, mit denen er gerade arbeitet, und alle 3-4 Jahre gibt es einen neuen Hype um einen gerade angesagten Boxen-Hersteller, der mit Hilfe von prominenten Endorsern zahlreiche Lautsprecher verkauft.
Belassen wir es also dabei, daß alle Leser dieses Artikels ein Paar Standard “Nearfield”-Monitore in Ihrem Studio stehen haben. Am wahrscheinlichsten ein Paar Yamahas (verschiedene Modelle, allesamt mit dem berühmten weissen “Bass”-Woofer), oder Dynaudio, KRK, Adam, Focal, Genelec, Tannoy, Mackie.
Wir alle wissen mit unseren Nearfields umzugehen, kennen die Stärken und Schwächen, mehr oder weniger. Und von mir gibt es keine spezifische Empfehlung. Kein Nearfield-Lautsprecher ist “perfekt” – fürs Mixen sind unsere Nearfields lediglich einer von mehreren Referenzpunkten. Aber ich hätte trotzdem an dieser Stelle einen Vorschlag zu machen, und empfehle, ein weiteres Paar Monitore zu kaufen – und diese werden in Kürze die wichtigsten Monitore sein, mit denen Du jemals gearbeitet hast. Nicht nur das, sie werden Dir auch ermöglichen, schnellere, bessere und genauere Mix-Entscheidungen zu treffen als jemals zuvor, in einer Präzision, wie es mit Nearfields niemals möglich ist.
“Noch ein paar Monitore? Das klingt teuer?”
Keineswegs – hier geht’s um 40 – 50 Euro. Auf ebay. Wirklich nicht mehr.
Was Du brauchst, ist ein ehrlicher kleiner Stereo-Portable – mit “ehrlich” ist ein Gerät aus der Zeit gemeint, bevor die Hersteller anfingen, “psychoakustische” Gimmicks von “Super Mega Bass” bis “Maxx Bass” einzubauen. Es gibt wahrscheinlich über tausend verschiedene Modelle, die sich für den Zweck eignen, und es lohnt sich, ein paar verschiedene auszuprobieren.
Es lohnt sich, mal bei Mutti in der Küche nachzusehen – dort stehen solche Geräte oft!
Falls Mutti allerdings darauf besteht, ihr Küchenradio zu behalten, hast Du gute Chancen, etwas Brauchbares auf dem Flohmarkt, in lokalen Kleinanzeigen, oder eben auf ebay zu finden.
HIER DAS PROFIL DEINES NEUEN MONITOR-SYSTEMS:
• tragbares 90er Jahre Audio-System
• kein “Super Mega Bass” Breakdance “Ghettoblaster”
• 1-Wege System, optimalerweise ohne Bassreflexport
• Equaliser, wenn vorhanden, sollte immer ausgeschaltet oder “flat” sein
• Bass Boost, wenn vorhanden, ausschalten
• kleiner = besser
• Mono oder Stereo, beides funktioniert
• klein genug, um in ein 19”-Rack zu passen
• ein externer AUX-Eingang sollte vorhanden sein (entweder in Cinch- oder Miniklinken-Ausführung)
• Preis: ca. 50 Euro
SPEZIFISCHE MODELLE, DIE SICH BEWÄHRT HABEN
Ich werde natürlich oft gefragt, welches Gerät nun genau ich empfehlen würde, und warum, usw… aber ganz im Ernst, schau was Du auf ebay findest, kauf ein paar von den Dingern und probiere es selber aus. Ich selbst benutze ein Sony ZS-D7 das mich 40 Euro auf ebay gekostet hat und sehr gut funktioniert (alles was mit „Sony ZS-“ anfängt, kann man sich näher ansehen), aber wie gesagt, es gibt viele andere Marken und Typen.
Einige von Euch haben sicher schon gehört, daß Chris Lord-Alge ein spezifisches Modell, den Sony ZS-M1, verwendet – das Ding ist aber kaum noch zu finden, und wenn, dann nur für sehr viel Geld. Ich vermute, Chris hat alle aufgekauft…
“Tivoli Audio”
Das sind die bekannten Küchenradios für Hipster – ziemlich teuer, aber gut für unsere Zwecke.
“Tivoli Audio clones, das typische Küchenradio von Aldi und Lidl”
Sind auch brauchbar, oft Mono-Geräte mit einem Lautsprecher, manchmal mit Bluetooth und anderen Gimmicks.
Die alten Meister der Tonkunst verwendeten für unsere Zwecke die legendären “Auratone”-Lautsprecher, die ebenso wie diverse Nachbauten immer noch erhältlich sind.
“Alles schon geregelt bei mir – ich höre meine Mixe immer auf Computer-Lautsprechern ab!”
Oh, oh – Gefahr im Verzug… moderne Computer-Lautsprecher sowie die meisten iPod/iPhone-Dock Lautsprecher sind aus folgenden Gründen leider nicht geeignet:
• die billigen Modelle sind qualitativ nicht ausreichend
• die teueren (wie z.B. B&W Zeppelin) klingen zu gut, und haben auch nicht den neutralen 1-Wege Lautsprecher Sound
• viele setzen psychoakustische Tricks ein, die einen Mix besser klingen lassen, als er in Wahrheit ist (Bässe und Höhen sind geboostet, Stereobasis ist künstlich verbreitert, etc.)
• bei Mehrwegesystemen werden billige Frequenzweichen eingesetzt, um Hochmitten- und Subwoofer-Informationen zu trennen; in dieser Preisklasse ist das immer mit Phasenverschiebungen und Kammfiltereffekten verbunden
ÜBERSICHT ABHÖRSYSTEME:
DIE DREI HAUPTKATEGORIEN
A. 90er Jahre Portable (“Muttis Küchenradio”)
So hören die meisten Konsumenten Deinen Mix – für mich also das “Fenster zur Welt”.
+++ VORTEILE +++
• Optimal um die grobe Balance zwischen den Instrumenten aufzubauen
• 8 Stunden Mischen am Stück ohne Ermüdung ist problemlos möglich
• Ist weniger abhängig von einer hochwertigen Raumakustik, alleine schon wegen nicht vorhandenem Tiefbass
• Empfehlung: sollte während der ersten 50% der Mischung im Einsatz sein
– – – NACHTEILE – – –
• nicht geeignet für die Feinabstimmung oder Korrektur von Subbass-Frequenzen (unter 60 Hz)
• nicht geeignet um den endgültigen Anteil an Höhen im Mix festzulegen (über 12kHz)
HINWEISE:
• Platziere den Portable seitlich oder hinter Deine Mix-Position
• Hör Dir ein paar Deiner Lieblings-Mixe auf dem Portable an – fällt Dir auf, wie gut diese Mixe auf dem Portable klingen?
• Bau Dir eine Bibliothek an Referenzmixen auf, und höre Dich damit auf dem Portable ein
• Finde heraus, in welchen Qualitäten Dein Mix sich von Deinen Lieblings-Mixen unterscheidet (über das Thema Mix-Referenzen reden wir demnächst an anderer Stelle)
Es ist also wirklich wichtig, daß man sich ausgiebig auf dem Portable einhört, nachdem man sich für ein bestimmtes Modell entschieden hat. Ich höre mir neben einem festen Set von Referenzen auch viele aktuelle Charthits auf dem Portable an, habe also eine exakte Vorstellung davon, wie ein hochwertiger und/oder aktueller Mix darauf klingt.
Dieser Prozess kann einige Wochen dauern – je größer und teurer ein paar Boxen ist, desto länger kann diese Phase andauern.
GEHEIMTIPP FÜR MUTTIS KÜCHENRADIO:
1. Hör Dir ein paar bekannte Referenzmixe an, und drehe den Portable so laut, bis er deutlich verzerrt.
2. Vergleiche wie laut Dein eigener Mix sich stellen läßt, bis er auf dem Portable verzerrt.
3. Passe Deinen Mix an – wenn Dein Mix bei Einsetzung der Verzerrung lauter ist, hat er nicht genügend tiefe Frequenzen!
B. Standard Nearfield Lautsprecher
• Die meisten Musiker sind daran gewöhnt, mit Nearfield-Monitoren zu arbeiten.
• Es wird vermutet, daß perfekte Nearfields sich maximal linear und neutral verhalten. Ist aber nicht unbedingt notwendig. Auch eine gewisse Färbung kann nützlich sein. Die klassischen Yamaha NS-10M haben sehr agressive obere Mitten, so daß Vocals beim Abhören im Fokus stehen. Das hat in den letzten 30 Jahren sehr gut funktioniert.
• Welche Nearfield-Lautsprecher man für sich wählt, ist eine sehr subjektive Entscheidung.
• Viele Studios haben zwei verschiedene Nearfield-Systeme, oder verbinden Nearfields mit einem Subwoofer-System.
+++ VORTEILE +++
• Nearfields eignen sich für ca. 4 Stunden Mischen am Stück ohne Ermüdungserscheinungen
• Ich empfehle Nearfields während 40% der gesamten Mischung einzusetzen
C. FULL RANGE HIGH-END LAUTSPRECHER
• Ich würde dieses dritte Paar Lautsprecher NICHT als “optional” bezeichnen – insbesondere für alle, die Musik mischen bei der ein ausgewogener und druckvoller Tiefbass eine besonders wichtige Rolle spielt (Hip-Hop, EDM), es addiert allerdings einiges an Kosten zum Setup.
• Diese Art Lautsprecher trägt man nicht im Karton oder Flightcase von Studio zu Studio, und sie passen auch auf keine Meterbridge
• Man kann sie mit einem Vergrößerungsglas vergleichen – selbst kleinste Veränderungen oder Abstufungen bei Frequenzen oder Dynamik sind einfach zu Hören.
• Länger als eine Stunde kann man mit solchen Lautsprechern nicht ermüdungsfrei hören, daher empfehle ich sie für maximal 10% des Mixes.
• Es handelt sich hier entweder um fest in die Wand integrierte Lautsprecher (genannt “flush-mounted”) oder um freistehende Bodenlautsprecher
+++ VORTEILE +++
• Hervorragend geeignet für Equaliser und Filter-Einstellungen, auch beim Auffinden und Entfernen von unerwünschten Resonanzen
• Bass-Bereich beurteilen und Abstimmen
• Feinabstimmungen aller Art
– – – NACHTEILE – – –
• nicht geeignet, um einen Mix zu starten – man würde sich zu sehr auf einen Bassbereich fokussieren, der bei den meisten Konsumenten nicht vorhanden ist
• nicht repräsentativ für 99% der Anlagen, auf denen Konsumenten Musik hören
ABHÖR-LAUTSTÄRKEN
“Mischen bei hohen Lautstärken ist eine Form von Drogenkonsum.”
• Der niedrigst-mögliche Pegel ist genau richtig (so leise, daß Lüfter von externen Festplatten noch hörbar sind)
• Es sollte immer möglich sein, sich während der Mix läuft noch in angenehmer Lautstärke mit jemandem unterhalten zu können
• Bei diesen Pegeln ist es möglich, ohne eine längere Pause 8 Stunden ununterbrochen zu mischen
• Ein Mix, der bei diesen Lautstärken entstanden ist, klingt kraftvoll und groß, wenn man ihn laut aufdreht!
WANN LAUTES ABHÖREN FUNKTIONERT:
• 5 Minuten bevor man sowieso eine Pause einlegen will
• am Ende des Arbeitstages
UMSCHALTEN ZWISCHEN DEN VERSCHIEDENEN MONITOREN
Nochmal abschließend – die Zeit an dem wir an einem Mix arbeiten, sollte wie folgt zwischen den verschiedenen Systemen aufgeteilt werden:
50% Muttis Küchenradio (Portable)
40% Nearfields
10% Full Range High-End Speakers
• Im Rahmen dieser Aufteilung ist es wichtig, möglichst oft zwischen den verschiedenen Systemen umzuschalten
• Es ist wichtig, daß Du mit einem Schalter zwischen den drei Systemen umschalten kannst.
• Die drei Systeme müssen in Sachen Lautstärke perfekt angeglichen sein – das heißt beim Umschalten bleibt der gefühlte Pegel identisch.
• Ein “Dim”-Schalter ist sehr hilfreich, um zwischen zwei fest definierten Lautstärken umschalten zu können (statt die Lautstärke ständig und stufenlose zu verändern).
Traditionell ist für die oben genannte Aufgaben die Centre-Section eines Mischpultes in großen Studios zuständig.
• Leider haben fast alle DAW-Hersteller es versäumt, die Monitoring-Funktionalität eines Studio-Mischpults in die Software zu integrieren.
• Daher gibt es einen recht großen Markt an sogenannten “Monitor Controllern” in fast allen Preislagen
• Ein kleineres Mischpult kann hierfür auch sehr nützlich sein – und selbst große Pulte, sofern nicht von einem berühmten Namen, sind gebraucht heute sehr erschwinglich.
Wer kein Mischpult oder Monitor Controller besitzt, dem reicht vielleicht sogar schon ein passiver Umschalter für Lautsprecher.
MINIMALES EMPFOHLENES MONITORING SETUP
1. Die Haupt-Nearfields, optional mit einem Subwoofer.
2. Ein kleiner Portable (oder Küchenradio) mit AUX-Eingang.
Ein erweitertes Setup hätte dann mindestens 3 Paar oder mehr Lautsprecher.
Soviel zum Thema Monitoring. Wem dieser Artikel gefallen hat, der sollte mal ins Inhaltsverzeichnis des Bestsellers YOUR MIX SUCKS reinschauen. Das eBook ist jetzt auch in deutscher Sprache erhältlich.