Bevor wir uns daran machen, den Raum, in dem Du Musik machst mit WENIG GELD zu besserem Sound zu verhelfen, muss ich was loswerden…
Raumakustik ist eine sehr komplexe Wissenschaft, und wer unbedingt den perfekten Abhörraum bauen, und dafür ein Jahr Pause von der Musik machen möchte, und gleichzeitig zufällig 50.000 Euro auf dem Konto hat, für den ist der folgende Artikel NICHT gedacht.
“Höheres” professionelles Studiodesign beginnt mit dem Bau eines Raumes mit mathematisch perfekten Abmessungen, so daß der Frequenzgang, Ausklingzeiten etc. zu 100% berechenbar sind. Vorraussetzungen, die fast niemand hat.
Dennoch ist die folgende Anleitung in maximaler Übereinstimmung mit dem, was ein professioneller Raumakustiker im Rahmen der Möglichkeiten empfehlen würde.
LOS GEHT’S
• Ein Abhörraum, der nicht ausreichend präpariert ist, ist eine der häufigsten Ursachen für Frust beim Mixen.
• Selbst erfolgreiche Chart-Hits werden inzwischen in Homestudios produziert – und durch den Niedergang der Musikindustrie wird das in absehbarer Zeit auch so bleiben.
• Die meisten Producer arbeiten in normalen Wohnräumen, ohne daß akustische Maßnahmen getroffen wurden.
RAUMAKUSTIK – “GHETTO STYLE”
Ich erspare mir im folgenden detaillierte Raumakustik-Theorie – dieser Artikel ist ausschliesslich darauf fokussiert, wie man mit möglichst wenig Investment einen maximalen Effekt erzielen kann.
REGEL NUMMER 1
Die Abhörposition und die beiden Stereo-Lautsprecher sollen ein gleichseitiges Dreieck bilden. Wenn möglich, solltest Du in der Abhörposition in Richtung der schmalen Raumseite positioniert sein, und der Abstand der Lautsprecher zur Wand auf beiden Seiten gleich. Die Boxen sollten in der Höhe so montiert sein, daß der Hochtöner in etwa auf Öhrhöhe sind.
Nicht zu kompliziert, oder?
REFLEXIONEN VON DER SEITE
Das folgende Bild erklärt das Problem mit den Reflexionen…
Im Idealfall wollen wir ausschliesslich den Sound hören, der direkt von den Boxen kommt(-> grüne Pfeile). Wenn sich aber links und rechts von uns blanke Wände befinden, hat dies zur Folge, daß der Sound uns zwei Mal erreicht:
1. der Direktsound von der Box (-> grüne Pfeile)und
2. nochmal eine Version (-> rote Pfeile)die mit einer kurzen Verzögerung von der Seitenwand reflektiert wird.
Gar nicht gut, denn beide Versionen vermischen sich und verfälschen das Klangbild erheblich.
Die Zeichnung zeigt ein sogenanntes “Early Reflection Panel”, das an der Wand rechts von der Abhörposition montiert ist, und diese ungewünschten Reflexionen absorbiert, weshalb man das Element auch „Absorber“ nennen kann (-> gelbe Pfeile).
LÖSUNG
Ein effektives “Early Reflection Panel” läßt sich sehr einfach selber bauen. Ein einfacher rechteckiger Rahmen (60 x 100 cm) aus Bauholz wird mit feuerfestem Moltonstoff bespannt, dahinter eine 4cm dicke Platte Rockwool gelegt – fertig!
Das ganze wird wie ein Bild an die Wand gehängt. Um die optimale Position zu ermitteln, brauchst Du einen Helfer, der einen Spiegel an die Wand rechts von Dir hält, während Du an Deiner Abhörposition sitzt. Wenn im Spiegel von Deiner Position aus die Lautsprecher zu sehen sind, hast Du die richtige Stelle zum Montieren der Panels gefunden. Denn wo sich die Boxen spiegeln, reflektiert auch der Sound…
Kosten für ein Panel:
1,50 € für eine Platte Rockwool (60 x 100 x 4cm)
1,50 € für das Bauholz (Durchmesser 28 x 48 mm, eine Latte von 3m Länge kostet ungefähr 1 Euro)
2,50 € für Dübel und Schrauben
5,00 € für 1m x 1,50m Molton
– – – – – – –
10,50 € für ein Panel !!
Da wir zwei brauchen, erhöhen sich die Kosten auf brutale 21 Euro für die Seitenpanels.
Das Bauholz ist das billigste, was man in Baumärkten wie OBI oder Bauhaus bekommt. Es muss nicht genau den angegebenen Durchmesser haben, aber in der Regel ist dies genau sowieso das Günstigste.
Das Holz sieht wie folgt aus, und wird üblicherweise in 3m Länge verkauft:
FRÜHE REFLEXIONEN VON DER DECKE
Das Problem mit den Reflexionen gibt es natürlich auch mit der Decke. Der Sound reflektiert von der Decke zurück und auch hier erreicht eine merkwürdige Mischung aus Reflexion und Direktsignal unser Ohr.
Daher montieren wir einen weiteren Absorber an die Decke, und zwar in dem Bereich zwischen den Boxen und unserer Abhörposition.
So ein Teil heisst “Ceiling Cloud”…
Für meinen eigenen Abhörraum habe ich eine 3 mal 3 Meter große “Ceiling Cloud” gebaut, ebenfalls aus einem Bauholzrahmen, bespannt mit feuerfestem Molton, und dahinter eine Schicht Rockwool.
Für die meisten Wohnräume reicht eine Cloud von 1,50 mal 1,50 Meter, oder maximal 2 mal 2 Meter. Es geht darum, daß der Bereich zwischen der Hörposition und den Boxen abgedeckt ist.
Ein kritischer Punkt ist die Aufhängung der Cloud, denn das Ding sollte Euch auf keinen Fall auf den Kopf fallen. In meiner Regie habe ich 6 massive Eisenhaken in der Deckenkonstruktion verankert, und dann doppelt abgesichert mit Drahtseilen und Schnüren die Cloud daran aufgehängt.
Hier eine grobe Kostenaufstellung:
6,00 € für vier Platten Rockwool (gleiches Material wie zuvor)
3,00 € für das Bauholz (Durchmesser 28 x 48 mm, eine Latte von 3m Länge kostet ungefähr 1 Euro)
1,00 € für Schrauben
13,00 € sämtliche Befestigungshaken und Befestigungsseile
20,00 € 2 x 3m Molton
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43,00 € Materialkosten für die Ceiling Cloud
BASS FREQUENZEN ZÄHMEN
Im nächsten Schritt verbessern wir die Bässe im Raum mit einfachen Maßnahmen, die Resonanzen im Bassbereich reduzieren.
• Zwischen der Wand hinter Deinen Lautsprechern, und Deinem Equipment bzw. den Lautsprechern, sollte mindestens 50cm Platz sein
• Staple vier große Packen Rockwool in jeder Ecke (8 Packen insgesamt)
• Sichere die Rockwool-Pakete irgendwie ab, so daß sie nicht auf Dein Equipment fallen können.
• Je nach Raumgröße haben 8 Pakete vielleicht gar nicht genug Platz, und 6 Pakete reichen aus.
• Wem der Ghetto-Look nicht gefällt, der kann vor die Rockwool-Pakete noch mit Stoff bezogene Rahmen stellen.
• Manche Leute würden das „Bassfalle“ oder „Bass-Trap“ nennen, und diesen Effekt hat es auch.
8 Packungen Rockwool kosten 96 Euro, so daß die Gesamtkosten wie folgt aussehen:
21 € für zwei Early Reflection Panels
43 € für die Ceiling Cloud
96 € für 8 Rockwool-Pakete
– – – – –
160 € SUMME
(Oh Schock, wir haben das Budget um 10 € überschritten…)
WELCHE ROCKWOOL SOLL ICH KAUFEN ?
Die Preise sind kalkuliert mit handelsüblichen Preisen für Rockwool “Sonorock” (Direktlink zum OBI Shop). Rockwool ist in Deutschland unglaublich günstig, da es auf jeder Baustelle zum Dämmen verwendet wird. In anderen Ländern kostet Rockwool teilweise das 5-fache.
Rockwool wird in verschiedenen Verpackungsvarianten verkauft. Bitte darauf achten, daß die Rockwool in der Verpackung nicht vom Werk aus komprimiert (= zusammengequetscht) ist – In diesem Fall müsstest Du die Rockwool aus der Verpackung nehmen, denn dann erst entfaltet sie das vollständige vorhergesehene Volumen.
IST DAS ZEUG NICHT GESUNDHEITSSCHÄDLICH ?
Rockwool wird aus Basalt hergestellt und ist komplett biologisch abbaubar. Es kann beim Verbauen etwas die Haut irritieren, ist aber nicht krebserregend. Auch Allergiker z.B. Asthma-Patienten kommen mit dem Material gut zurecht.
Im allgemeinen würde ich ohnehin schon aus optischen Gründen empfehlen, auch die Rockwool-Stapel in den Ecken mit stoffbezogenen Holzrahmen abzudecken, oder ansonsten in der Packung zu lassen.
DER FERTIGE PLAN
Wie in der Zeichnung zu sehen, kann man zusätzlich noch die komplette Rückwand mit Rockwool vollstellen. Erhöht die Kosten etwas, kann aber auch helfen den Bass-Frequenzgang weiter zu verbessern. Optimalerweise sollten mindestens 20% der 5 zu bearbeitenden Raumoberfächen bedeckt sein (der Boden ausgenommen).
DER 10 MINUTEN RAUMAKUSTIK TEST
Um die brutale Wahrheit über den aktuellen akustischen Zustand Deines Raumes zu erfahren, machen wir jetzt noch eine „Ghetto Style“ Frequenzmessung.
JETZT KOSTENLOS HERUNTERLADEN
Hier ist ein YouTube-clip mit Testtönen, die ich mit Logic Pro erzeugt habe. Du kannst den Clip einfach in Youtube abspielen, oder auch versuchen, das Test-Setup in Logic oder Deiner DAW der Wahl nachzubauen.
Vorsicht beim Abspielen – der Clip fängt mit sehr tiefen Basstönen an, die man in den meisten Räumen nicht hört.
Nach etwa 47 Sekunden weisst Du so einiges mehr über Deinen Abhörraum. Achte einfach darauf, ob die Lautstärke des Testtons immer gleich bleibt!
1. Finde heraus, ob Deine DAW einen Testton-Generator (auch Testton-Oszilator genannt) hat.
Die meisten DAWs haben ein Plugin, daß Testtöne generieren kann – im Zweifel einfach “test tone generator daw” und den Namen Deiner DAW googlen.
Die Frequenz des Oszilators kann eingestellt und auch automatisiert werden. Alternativ kann auch ein Synthesizer mit Sinuston verwendet werden, DIESE LISTE zeigt den Notenbereich der dazu verwendet wird.
2. Drehe den Lautstärke-Regler für Deine Lautsprecher komplett herunter.
Eine Vorsichts-Maßnahme, um Deinen Lautsprechern und Deinem Gehör keinen Schaden zuzufügen! Testton-Generatoren können sehr unangenehm hohe Frequenzen abspielen, die wir für diesen Test allerdings nicht brauchen.
3. Schalte den Testton-Generator ein.
In Logic Pro zum Beispiel, wird der Oszilator ganz einfach als Plugin eingefügt, in einen beliebigen aktiven Track, oder auch Output. Stell den Ausgangspegel des Tons auf – 18 dB und eine Frequenz von 100 Hz (G2 auf einem Keyboard).
4. Erhöhe ganz langsam die Lautstärke Deiner Boxen.
Und zwar soweit, daß Du den 100Hz-Ton deutlich hören kannst. Auf keinen Fall zu laut einstellen – bei niedrigen Lautstärken ist es einfacher, Pegeländerungen zu hören, was für unseren Test wichtig ist.
5. Reduziere die Frequenz des Testtons langsam, Schritt für Schritt.
Nimm Dir Zeit dazu, verändere die Frequenz ganz langsam von 100Hz über 97, 92, 87 usw. herunter. Fällt Dir auf, daß die Lautstärke des Tons nicht gleich bleibt? Bei manchen Frequenzen scheint es, als ob der Ton komplett verschwindet, andere sind vielleicht lauter als der ursprüngliche 100Hz-Ton. Auf kleinen Boxen wird der Ton wahrscheinlich bei ca. 40/50Hz nicht mehr zu hören sein, es sei denn Du hast einen Subwoofer. Gehe trotzdem bis zu 20Hz, selbst wenn der Ton schon längst nicht mehr zu hören ist.
6. Notiere, was Du hörst.
Im folgenden erkläre ich, wie Du das Gehörte zu Papier bringst. Lies den Artikel erst zu Ende. Es ist im Grunde genommen super-einfach, aber man muss schon ein paar Sachen beachten. Beim nächsten Test starten wir mit einem 20Hz Testton, und erhöhen die Frequenz schrittweise, während wir Notizen dazu machen, wie sich die Lautstärke der Töne entsprechend der Frequenzen verändert. Dazu verwenden wir vier einfache Kategorien:
“NO TONE”
– kein Test-Ton zu hören
“LOW”
– der Ton ist zu hören, aber leiser als im Durchschnitt
“NORMAL”
– die durchschnittliche empfundene Lautstärke des Test-Tons.
“HIGH”
– wenn der Ton lauter ist als im Durchschnitt
Schau Dir die folgende Liste an – der Pfeil links (der nach oben zeigt) zeigt von unten nach oben zunehmende Lautstärke an, der Pfeil in der Mitte zeigt von links nach rechts ansteigende Frequenzen an. Entsprechend unserem Test-Ton, der bei 20 Hz anfängt, und bis 293 geht.
So eine Liste ist in 2 min gemalt – ansonsten einfach auf’s Bild klicken und ausdrucken.
Fang bei 20 Hz an und arbeite Dich bis zu 300 Hz vor. Mach dabei die entsprechenden Kreuze auf der ausgedruckten Liste. Eigentlich ganz einfach – die einzige Herausforderung ist, auf dem Computer die entsprechende Frequenz abzulesen und gleichzeitig eine Einschätzung über die gehörte Lautstärke abzugeben.
Hier ein Beispiel, wie mein eigener Test gelaufen ist:
Bei 20Hz zum Beispiel, war nichts zu hören, also habe ich “NO TONE” angekreuzt (ganz unten links), bei 130Hz war der Ton deutlich lauter als im sonstigen Verlauf – ist soweit klar, oder?
Wir testen hier übrigens spezifisch den Bass-Frequenzgang, denn die Probleme in diesem Bereich wiegen im Gesamtzusammenhang am schwersten und sind wesentlich aufwendiger zu beseitigen als Reflexionen von Mitten und Höhen.
7. Wenn alle Werte eingetragen sind, bleibt nur noch, die Punkte zu verbinden – das ganze sieht dann wie folgt aus und stellt den Bass-Frequenzgang des getesteten Raumes dar.
Zu beachten ist, daß dieses Frequenz-Diagramm sich auf die exakte Abhörposition bezieht. Schon ein paar Zentimeter weiter kann die Kurve anders aussehen. Außerdem sagt der Frequenzgang nichts über die Ausklingzeit des Raumes aus, ein Parameter der mindestens genauso wichtig ist.
Das Diagramm ist bei einem Test ein meinem Home Office entstanden, ein komplett unbehandelter quadratischer kleiner Raum mit einem paar billiger aktiver Computer Lautsprecher. Dementsprechend schlecht ist das Ergebnis, durch den Peak bei 130 Hz sowie das Loch bei 207 Hz ist der Raum absolut ungeeignet zum Mixen.