Der folgende Artikel ist eine Vorab-Version zum Thema Kick und Bass, aus dem Bestseller-eBook YOUR MIX SUCKS, welches nun auch in deutscher Sprache erschienen ist.
Ein guter Mix ist die Summe vieler Entscheidungen. Die Reihenfolge, in der wir hierbei vorgehen, ist nicht immer wichtig. Es gibt Entscheidungen, die kann man früher oder auch später treffen – manche davon intuitiv, andere strategisch.
Dies trifft allerdings nicht auf Kick Drum und Bass zu, denn diese beiden Instrumente bilden das Fundament unserer Mischung – deren Soundqualität, Feinabstimmung und Dynamik ist daher von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung von unserem Mix.
Tiefe Frequenzen haben viel mehr elektrische Energie als hohe, brauchen also schon rein technisch mehr Platz im Mix als Mitten und Höhen. Wenn das Fundament nicht stimmt, werden wir aus unserer Mischung nie das Optimale herausholen.
Ein elementares Thema ist das Tuning der Drums, insbesondere bei der Kick.
Prince hat eine Produktionstechnik erfunden, die heute von vielen Produzenten, insbesondere im Bereich der elektronischen Musik, nicht mehr wegzudenken ist: das Tuning der Drum-Instrumente zu der Tonart des Songs.
Er benutzte zunächst den allerersten digitalen Drumcomputer der Geschichte, die Linn LM-1, später (ab seinem Album “1999”) auch die als “LinnDrum” bekanntgewordene LM-2. Bei der LM-1 hatte jedes Drum-Instrument auf der Rückseite der Maschine einen eigenen kleinen Potentiometer fürs Tuning.
Bei der LM-2 konnte man ab Werk nur wenige ausgewählte Instrumente stimmen. Prince hat seine LinnDrum LM-2 jedoch von Forat Electronics in LA entsprechend der LM-1 umbauen lassen, so daß man auch hier alle Instrumente stimmen konnte.
Prince hat HiHats, Rim Shots, Claps wild getuned, weit über den Bereich hinaus, wo diese Instrumente noch wie eine echte Drum-Aufnahme klangen. Dass er z.B. Rimshots manchmal extrem tief stimmte, war zwar auch Teil seines innovativen Sounds, hatte aber eine wichtige musikalische Funktion, denn was er machte, war das gesamte Drum-Kit zu 100% in der Tonart des Songs zu stimmen. Dadurch bekam die Linndrum natürlich eine harmonische Funktion im Arrangement und im Mix, und dieser Trick ist auch die Antwort auf die Frage, warum der No. 1-Hit “When Doves Cry” so hervorragend grooved, auch wenn auf der Produktion weder ein Bass Synth noch eine Bass Gitarre zu hören ist.
Das detaillierte Stimmen der Linndrum Instrumente auf die Tonart des Songs ist eine Technik, die er verwendet hat bei den Alben 1999, Purple Rain, Around the World in a Day, Parade, Sign o’ the Times und Lovesexy. Die Linndrum und diese Technik verwendete er auch in späteren Produktionen immer wieder mal, in den 90er Jahren begann er aber mehr mit echten Drum-Sounds und Session Drummern zu arbeiten.
Bevor es ans Mischen geht, verschaffen wir uns erst mal einen Überblick über die Tonart und Harmoniefolgen, welche Töne/Frequenzen der Bass spielt, und wie die Kick im Verhältnis dazu reinpasst.
Im folgenden betrachten wir Kick und Bass von Meghan Trainors “All About That Bass” – einer der Songs die für den “Song of the Year”-Grammy 2015 nominiert waren, und weltweit einer der größten Hits des Jahres 2014.
Tonart und Akkordfolge von “All About That Bass”
Der Song ist in A-Dur, basierend auf der Akkordfolge
A-Dur / h-moll / E-Dur / A-Dur
Verwendete Bassnoten und deren Frequenzen
• E1 = 41,2 Hz (Grundton von E-Dur, der dominante Akkord)
• G1 = 48,9 Hz (die kleine Terz zu E-Dur, hier als “Blue Note” verwendet)
• G#1 = 51,9 Hz (die große Terz von E-Dur)
• A1 = 55 Hz (Grundton von A-Dur, der tonische Akkord)
• H1 = 61,7 Hz (Grundton von h-Moll, der Moll-Parallele des Subdominanten Akkords sowie die Quinte von E-Dur)
• C2 = 64,4 Hz (kleine Terz zu A-Dur, verwendet als “Blue Note”)
• C#2 = 69,2 Hz (große Terz von A-Dur)
• D2 = 73,4 Hz (kleine Terz von h-Moll)
• E2 = 82,4 Hz (Quinte von A-Dur)
• F#2 = 92,4 Hz (Quinte von h-Moll)
Der Bass-Sound
Verwendet wird ein “Pizzicato” gespielter Kontrabass, dessen Frequenz-Spektrum von der zweiten harmonischen (eine Oktave über dem Grundton, siehe unten) und ersten harmonischen (die Frequenzen, die wir gerade aufgelistet haben) dominiert ist. Außer einem sehr kurzen und nicht sehr lauten Zupfgeräusch mit Frequenzen um 4 – 8Khz gibt es keine Frequenzen, die angehoben werden können, um den Bass in der Mischung “nach vorne” zu holen. Das Spektrum und die klanglichen Möglichkeiten des Kontrabass sind in jedem Fall im Vergleich zu einer Bass Gitarre, wo wir die Mitten anheben oder sogar verzerren können, sehr eingeschränkt.
Liste der von Bass und Kick verwendeten Frequenzen
Hier eine komplette Auflistung aller Frequenzen, die Bass und Kick Drum von “All About That Bass” im Frequenzspektrum der Mischung belegen – wer mehr Info zu den verwendeten Begriffen braucht, dem kann ich diesen Artikel auf Wikipedia empfehlen.
41,2 Hz – E1 (Grundton, im folgenden “1. Harmonische” genannt)
48,9 Hz – G1 (1. Harmonische)
51,9 Hz – G#1 (1. Harmonische)
54 Hz – KICK (1. Harmonische, fast identisch mit dem Grundton der Tonart A-Dur)
55 Hz – A1 (1. Harmonische)
61,7 Hz – H1 (1. Harmonische)
65,4 Hz – C2 (1. Harmonische)
69,2 Hz – C#2 (1. Harmonische)
73,4 Hz – D2 (1. Harmonische)
82,4 Hz – E2 (1. Harmonische)
88,4 Hz – 2. Harmonische von E1
92,4 Hz – F#2 (1. Harmonische)
98 Hz – 2. Harmonische von G1
103,8 Hz – 2. Harmonische von G#1
108 Hz – KICK (Druckpunkt)
110 Hz – 2. Harmonische von A1
123,4 Hz – 2. Harmonische von H1
130,8 Hz – 2. Harmonische von C2
138,6 Hz – 2. Harmonische von C#2
146,8 Hz – 2. Harmonische von D2
164,8 Hz – 2. Harmonische von E2
185 Hz – 2. Harmonische von F#2
Reinhören!
Spätestens jetzt ist es an der Zeit, mal in den Song reinzuhören (am besten bei iTunes kaufen, denn der Song ist eine gute Mix Referenz) – wie unsere bisherige Auflistung schon vermuten läßt, dominiert die bluesige Bass-Linie das tiefe Frequenzspektrum fast vollständig.
Frequenzgänge auf dem Analyser
Die folgende Frequenzkurve zeigt ausschliesslich Bass und Vocals während des Intros (benutzt wurde das “learn”-feature vom Logic Pro X Match EQ).
Es wurde definitiv ein Hochpass-Filter (HPF) verwendet, der Frequenzen unter 50Hz fasst vollständig entfernt, und sich auf jeden Fall überschneidet mit dem tiefsten Basston. Dieser Hochpass-Filter sowie das “Loch” bei 200Hz geben dem Bass einen sehr definierten Platz im Frequenz-Spektrum der Mischung.
Hier im Vergleich die Kick Drum:
Der Grundton (die 1. Harmonische) der Kick Drum sitzt bei 54 Hz, direkt unter dem Grundton der Song-Tonart-Dur, und der Druckpunkt der Kick liegt entsprechend eine Oktave höher, bei 108 Hz).
Die Kick Drum in “All About That Bass” ist sehr komprimiert und sitzt “hinter” dem Bass – sie dominiert zu keiner Zeit den Bassbereich der Mischung. Eine weitere Resonanz ist knapp unter 200 Hz zu sehen, diese korrespondiert ziemlich genau mit der Absenkung, die der Bass in diesem Bereich hat. Da die Kick Drum ein sehr satter Sound mit vielen Geräuschen und höheren Obertönen ist, setzt sie sich trotzdem in der Mischung sehr gut durch, aber keinesfalls, weil irgendetwas im Bassbereich geboostet wäre. Auch bei der Kick passiert unterhalb von 50Hz nicht mehr viel.
Die folgenden Schritte haben mir geholfen, die exakten Frequenzen der Kick herauszufinden – dies war hier deutlich schwieriger als bei den meisten Tracks!
Hier zeigt der Logic Pro Channel EQ Analyser, eine Stelle im Song, wo der Bass nicht vorkommt:
Als nächstes erstelle ich ein sehr schmales EQ-Band mit maximaler Anhebung (bitte Boxen sehr leise lassen!) und gleite mit der Frequenz durch den Bassbereich, bis ich die unterste Resonanzfrequenz der Kick exakt gefunden habe. Dann wiederhole ich den gleichen Vorgang, um die nächsthöhere Resonanz zu finden. Der Blick auf den Analyser hilft dabei natürlich, denn die Resonanz ist dort wo der Analyser den höheren Pegel anzeigt. Der Unterschied zwischen 54 Hz und 55 Hz ist sehr klein, aber sitzt dennoch näher an 54Hz.
Wenn ich den “EQ Gain” von + 24 dB auf – 24 dB umstelle, kann ich der Kick Drum jegliche Substanz nehmen – der Beleg dafür, daß wir die richtigen Frequenzen gefunden haben!
Bei meinen eigenen Mischungen analysiere ich die gelieferten Spuren mit dieser Methode, schau mir die Song-Tonart und die zugehören Frequenzen an, und entwickle dann einen Plan, wie ich Kick Drum und Bass am elegantesten “unter einen Hut” bekomme. Manchmal fehlen der Kick eindeutig erkennbare Frequenzen, die den Grundton und Druckpunkt bilden. In diesem Fall schaut man, wo Frequenzen da sind, und hebt diese schmalbandig an. In anderen Fällen hingegen ist der Grundton zu laut, und muss 1-2 dB abgesenkt werden.
• die Technik des “Drum Replacement” wurde das erste Mal in den 80er Jahren verwendet. Das AMS Digital Delay DMX 15-80S hatte einerseits eine Sample-Funktion, andererseits konnte das Sample durch ein Input-Signal getriggert werden. Die Technik ist natürlich mittlerweile Lichtjahre weiter.
• gute Drum Replacment Plugins bieten Zugriff auf hochwertige Aufnahmen von kompletten Drumsets, die mit vielen Mikrofonen aufgenommen wurden. Die Signale der einzelnen Mikrofone stehen separat zur Verfügung, man kann zum Beispiel ein paar Overhead-Mikrofone oder Raum-Mikros zu den bereits vorhandenen Drums dazumischen, und ihnen mehr Tiefe zu verleihen. Ein unteres Snare-Mikro addieren, oder der Kick einen definierten und stimmbaren Grundton geben.
• Drum Replacement Plugins erweitern das Spektrum der Sounds, die wir beim Mischen zur Verfügung haben. Es geht nicht darum, das komplette Drumset zu ersetzen, sondern den vorhandenen Sound mit frischen Farbtupfern anzureichern.
Wenn wir von Drum Replacement reden, sind eigentlich zwei unabhängige Funktionen damit gemeint:
1. Der Trigger Generator, ein Plugin das die Audiospuren der vorhanden Drums in dynamische MIDI-Noten umwandelt. Je nach Einstellung kann der Trigger Generator dabei das komplette Dynamik-Spektrum eines echten Schlagzeugers erfassen.
2. Ein Schlagzeug-Plugin, das Aufnahmen hochwertiger Samples in Multi-Mikrofontechnik zur Verfügung stellt. Idealerweise in perfekter Qualität: ein Weltklasse-Drummer, der ein präzise gestimmtes Schlagzeug in einem gut klingendem Raum spielt. Die Mikrofone platziert von einem guten Toningenieur, aufgenommen mit den beste Vorverstärkern und einem guten Pult, mit sehr guten Wandlern.
Diese Plugins bieten üblicherweise eine große Anzahl verschiedener Samples in allen Dynamikstufen an, und sogar in jeder Dynamikstufe sind die Samples mehrfach vorhanden, so daß selbst bei einem Drumroll mit identischen MIDI-Noten ein organischer Soundeindruck entsteht, da kein exakt identisches Sample zweimal hintereinander verwendet wird.
Anwendungsbeispiele:
• addieren von unterem Snare Mikro (Snare-Teppich), Overheads, Raum-Mikros
• synthetischen Drums eine organische Komponente hinzufügen
KICK DECONSTRUCTED – FREQUENZEN UND TUNING
Ein Kick Drum-Sound besteht im wesentlichen aus den folgenden drei Komponenten:
1. Ein Grundton im Tiefbass-Bereich, in der Regel zwischen 45 – 75 Hz.
2. Der Druckpunkt der grob um 100 Hz herum liegt (zwischen 90 und 150 Hz, also eine Oktave über dem Grundton)
3. Obertöne und Noise (180 Hz – nach oben offen)
Gemeinsam bilden diese drei Komponenten den Kick Drum-Sound. Abstrakt betrachtet ähnlich so wie ein Kontrabass, ein Cello, eine Bratsche und einige Geige zusammen ein Ensemble bilden.
Um die Kick Drum optimal im Mix zu platzieren, werden diese drei Komponenten separat betrachtet und bearbeitet.
Manche Producer verwenden für jede dieser Komponenten unterschiedliche Samples, und es kommt vor, daß der Produzent diese auf separaten Spuren zum Mischen liefert. Aber selbst, wenn nur eine einzelne Kick-Spur zur Verfügung steht, kann man diese einfach auf eine weitere Spur kopieren. Mit einem Hochpass-Filter (HPF) kann man z.B. alles unter 150Hz wegfiltern, und erhält dadurch ein Signal, das exklusiv aus der Komponente 3 (Obertöne und Rauschen) besteht. Man kann dann mit verschiedenen Bearbeitungen experimentieren, wie Bandsättigung, Verzerrung, Kompression/Limiting, und dann dieses bearbeitetes Signal in den Originalsound mischen.
Ein kleines Beispiel zum separieren der Kick in drei einständige Komponenten: Der Screenshot zeigt, daß der Grundton mit einem Hochpassfilter entfernt wurde , der Druckpunkt um 5dB abgesenkt wird, und bei 2500Hz, also Obertöne und Rauschen, um 5,1 dB angehoben.
Der Grundton (1.) und der Druckpunkt (2.) sind entscheidende Elemente in moderner Musik und diese Frequenzen sollten im Mix Ihren Freiraum haben. Obertöne und Noise (3.) sind sehr wichtig, um die Kick im Mix lokalisieren zu können, speziell auf bass-schwachen Konsumenten-Systemen wie Laptops, Smartphones, kleinen tragbaren Lautsprechern und billigen Ohrhörern.
Mit Hilfe von Filtern separiere ich manchmal die drei Komponenten auf drei unterschiedliche Spuren die ich mit drei Fadern auf meiner SSL Console kontrolliere – Top Mixer verwenden diese Technik seit vielen Jahren, und auf einem SSL ist das Routing schnell konfiguriert – das Signal wird über den „Small Fader“ zur Routing Matrix geschickt, und über die Routing Matrix an zwei weitere große Fader geschickt. Das läßt sich natürlich noch ausweiten durch extra Channels für Parallelkompression, und virtuelle Overhead und Raummikros die ein Drum Replacement Plugin generiert.
808 KICKS – DEUTLICHER GRUNDTON, KAUM OBERTÖNE
Synthetische Kick Drums, z.B. von der Roland TR-808/909 haben einen sehr klaren und definierten Grundton. Die Tonhöhe wird oft nach dem Anschlag von einer Hüllkürve nach unten moduliert, was gleichzeitig bedeutet, daß der Grundton das ganze Bass-Spektrum durchläuft, z.B. bei einem Sweep von 80Hz runter zu 10Hz. Eine solche Hüllkurve macht diese Kicks schwerer zu mischen, und ich empfehle, in diesem Fall gleichzeitig noch einen Analyser im Blick zu haben, denn nur sehr wenige Räume sind in diesem Frequenzbereich ohne Resonanzen und Löcher.
Für diese Art von Kicks gibt es jede Menge analoge Geräte (sowie deren Plugin-Versionen), die der Kick Obertöne hinzufügen, was den Sound im Mix lokalisierbarer macht – vom subtilen Pultec EQ, Fairchild Röhrenkompression, oder analoger Bandsättigung, bis zu Gitarrenverzerrern oder einem Marshall Amp! Klingt extrem, kann aber einfach auf eine Kopie der Originalspur angewandt werden, und dann leicht dazugemischt… oft reicht das schon, um eine synthetische Kick mit hörbaren Obertönen anzureichern.
AKUSTISCHE KICKS – KOMPLEXER ALS 808/909
Eine akustische Bass (Kick) Drum ist im Grunde genommen ein kleiner zylinderförmiger Raum in sich selbst, an dessen Enden zwei Trommelfelle resonieren, und natürlich auch akustisch interagieren mit dem Aufnahmeraum – all dies zusammen führt in der Summe zu einem Sound mit sehr komplexen Obertönen und manchmal sogar mehreren eng zusammenliegenden Grundtönen und Druckpunkten.
Durch die höhere Komplexität durch viele Grund- und Obertöne, die sich gegenseitig modulieren, entsteht ein sehr reichhaltiges Frequenzspektrum, mit dem sich sehr flexibel arbeiten läßt.
Um die Grund- und Obertöne eines Klangs zu identifizieren, eignet sich der Channel EQ, der bei Logic Pro X dabei ist. Mit einer starken schmalbandigen Anhebung fährt man durch das Frequenzspektrum, und wo die höchsten Pegel entstehen, befindet sich ein Grund- oder Oberton.
Wie gesagt, bei akustischen Drum-Sounds gibt es manchmal mehrere Grundtöne, die nahe beieinander liegen. Welche man anhebt oder absenkt, hängt von vielen Faktoren ab – die Tonart des Songs, wo Bass-Gitarre oder Bass-Synth frequenzmäßig stattfinden, und natürlich vor allem vom Geschmack des Produzenten und dem Genre des Songs.
Sogar eine komplett gegen die Tonart des Songs verstimmte Kick Drum kann die Lösung sein, wenn es zum Song und Genre passt.
Generell betrachtet sind bei Top-Produktionen diese Frequenzen allerdings sehr fein mit der Tonart des Songs abgestimmt.
Um beim Thema “Tuning” zu bleiben – die Funktion “In neue Sampler-Spur umwandeln” ist ein sehr nützliches Feature von Logic Pro, gerade zum bearbeiten von Drums. Mit einem Klick wird eine Audio-Spur in einzelne Samples umgewandelt, die von einer MIDI-Spur, die ebenfalls automatisch generiert wird, getriggert wird. Spielt man die Sampler-Spur ab, klingt sie identisch zur ursprünglichen Audio-Spur, allerdings können die einzelnen Drum-Sounds nun im Sample bearbeitet werden.
Das funktioniert hervorragend, wenn zum Beispiel die Kick Drum mit der Song-Tonart kollidiert (weil z.B. exakt einen Halbton daneben). Im Sampler kann man alle diese Kicks mit der globalen Tuning-Funktion “-1” transponieren, und schon passt es.
Nach meiner Erfahrung kann manchmal schon eine minimale Tuning-Korrektur der Kick, beispielsweise 10 cent eines Halbtons, das Low-End einer Mischung merklich aufräumen.
Wir dürfen dabei nie vergessen, daß Instrumente im Bassbereich die größte Energie besitzen, und müssen daher sehr genau auf die Feinabstimmung der Frequenzen achten.
In welchem Verhältnis auch immer die verschiedenen Komponenten der Kick Drum am Ende abgestimmt werden, es ist eine gute Angewohnheit, die Frequenzen der 3 Haupt-Komponenten zu identifizieren, so daß wir im weiteren Verlauf der Mischung immer Zugriff darauf haben.
Die Frequenzen lassen sich wie gesagt mit einem EQ Plugin in Verbindung mit einem Analyser recht einfach finden, ich selber verwende den Channel EQ von Logic Pro X, mit dem im EQ Plug-in eingebauten Analyser. Zum lokalisieren der Resonanzen eignet sich der Channel EQ noch besser als der Linear Phase EQ, da der Channel EQ, ähnlich wie ein analoger EQ, mehr Resonanzen erzeugt und man klareres Feedback vom Plug-In bekommt, wenn man auf eine Resonanz trifft.
Zum eigentlichen bearbeiten empfehle ich dann allerdings einen Linear Phase EQ, und in Logic Pro X lassen sich sogar die Settings vom Channel EQ auf den Linear Phase EQ kopieren, was die Sache sehr vereinfacht. Zusätzlich zu den Hauptkomponenten setze ich oft noch EQ-Punkte zwischen oder neben diese und senke dort die Frequenzen ab, um die Hauptkomponenten klarer zu definieren.
NOCH EINE SACHE…
Wichtig ist, das die EQ-Frequenzen erst mal an der richtige Stelle sitzen – wie viel man dann im Einzelnen anhebt oder absenkt, läßt sich am Besten im Zusammenhang mit den anderen Spuren beurteilen, oder zumindest während man die Kick Drum zusammen mit dem Bass und dem Gesang abspielt.
ATTACKE, DIE TRANSIENTEN KOMMEN!
Als Transient wird der erste harte Impuls, mit dem ein Klang beginnt, bezeichnet. Das Zupfgeräusch einer Gitarre, die kleinen Hämmerchen bei einem Klavier, oder der durch das Fusspedal ausgelöste Schlag auf das Fell einer Kick Drum.
Bei elektronischen Schlagzeug-Klängen entsteht der Transient entweder durch das extreme schnelle Einschwingen einer VCA-Hüllkurve (bei analogen Klangerzeugung springt die Spannung in voller Geschwindigkeit von 0 auf die maximale Spannung, was in der Regel einen hörbaren “Klick” erzeugt) oder durch einen Rauschgenerator, der ebenfalls einen sehr kurzen hüllkurvengesteuerten Klick zum Resultat hat.
Das hinzugemischte “Klick-Rauschen” ist eine Erfindung von Drum-Synthesizer Pionier Dave Simmons – wer alt genug ist, erinnert sich bestimmt an die SIMMONS E-Schlagzeuge aus den frühen 80ern. Das SIMMONS-Drumset war im wesentlichen ein 5 oder 6-stimmiger Synthesizer mit einer separat einstellbaren Stimme für jedes Schlagzeug-Instrument. Die Klangerzeugung kombinierte das schon erwähnte kurze Klicken mit stimmbaren Oszillationen die mit einer Tonhöhen-Hüllkurve verbunden waren. Dazu konnte man länger ausklingendes gefiltertes Rauschen dazu mischen (welches eine Art “Snare-Teppich” simulieren sollte). Sicher hat jeder schon einmal diese typischen “Laser”-Drumsounds der 80er gehört.
Der SIMMONS Kick Drum-Sound lag klanglich ungefähr zwischen einer 808/909-Kick und einer modernen “Progressive Metal” Kick.
KONTROLLIERTE ATTACKE!
Die Lautstärke des Transienten ist immer ein guter Ansatzpunkt, um aus der Kick Drum das Optimale rauszuholen. Selbst wenn der Kick-Sound perfekt zum Song passt, kommt es vor, daß man sich im Zusammenhang mit allen Instrumenten wünscht, die Kick wäre ein Stück präsenter, ohne daß man gleich den Bassbereich überladen möchte.
Hier sind drei Möglichkeiten, die bei mir regelmäßig zum Einsatz kommen:
1. Transienten Designer
Es gibt eine Reihe solcher Plug-Ins auf dem Markt, und das bekannteste ist der SPL Transient Designer, der auf der gleichnamigen 4-kanaligen Hardware-Version basiert. Viele andere Hersteller bieten ähnliche Lösungen an, und die Ergebnisse ähneln sich.
2. Noise Gates
Hier ist der Trick mit dem Noise Gate: man kopiert die Kick Drum auf eine zweite Spur und benutzt ein Noise Gate um den Sound extrem kurz ausklingen zu lassen – eben nur den Transienten. Dieses Signal kann dann zum Original dazugemischt werden, um den Transienten zu verstärken. Möchte man weniger Transient, kehr man einfach die Phase des Noise Gate-Kicks um.
3. Sampling
Wenn die Kick aus dem Sampler kommt, ist es ebenfalls einfach – bei der Lautstärke-Hüllkurve des Samplers einfach die Attack-Zeit anheben, schon verschwindet der Transient. Wie man die Kick in den Sampler bekommt, haben wir ja schon weiter oben diskutiert.
LÄNGE / AUSKLINGZEIT
Am allerwichtigsten ist natürlich, daß wir die Länge bzw. Ausklingzeit der Kick unter Kontrolle bringen – hiermit lebt oder stirbt der Groove! Bitte nicht vergessen: auch hier kann es sehr hilfreich sein, die drei Hauptkomponenten der Kick getrennt in Ihrer Ausklingzeit einstellen zu können.
Als Werkzeuge können auch hier Transienten Designer, Noise Gates und Sampling sehr nützlich sein – aber natürlich können wir auch direkt in die Wellenform gehen und die Kick exakt an dem gewünschten Punkt schneiden, sowie diesen Punkt mit dem gewünschten Fade versehen.
Auch dazu gibt es in Logic Pro ein sehr nützliches Feature:
“Stille von Audioregion entfernen“
Diese Funktion entfernt die “Stille” zwischen den Kicks unterhalb eines einzugebenden Schwellenwert.
Und hier mit einem passenden Fade out versehen.
KICK SITZT IMMER IN DER MITTE – MONO. PUNKT.
Zumindest der direkte Tiefbass-Anteil der Kick Drum. Wenn notwendig, kann man die Kick bei 300Hz aufsplitten, den Grundton und Druckpunkt in mono belassen und lediglich Obertöne und Rauschen in Stereo mischen.
DER BUS IST WEG – SIDECHAIN EINRICHTEN.
Egal ob ich bei einem Mix plane einen Sidechain von der Kick zu verwenden oder nicht – ich richte den ersten Send der Kick über Bus 64 immer so ein, daß man dort ein Sidechain-Signal der Kick abgreifen kann. Der Send steht auf “Unity Gain” (= 0 dB) und gibt des Pre Fader identisch weiter an Bus 64. Auf Bus 64 den “Output” deaktivieren, was in Logic Pro heisst, “No Output” auszuwählen.
Die Busse 64, 63, 62, 61 sind meine Standard Sidechain-Busse für Kick, Snare Vocals, und was sonst noch andere Elemente im Mix zurückdrängen muss. Ich nutze sie nicht immer, aber wenn sie gebraucht werden, sind sie schon eingerichtet in meinem Template.
Ohne hier ins Detail zu gehen – das Sidechain-Signal wird üblicherweise verwendet um Bass Gitarre oder Bass Synths bei jedem Kick Drum-Schlag ein paar dB zurückzunehmen. Fast allen Kompressor Plug-Ins kann man einen Sidechain-Eingang zuweisen, wie z.B. im Bild unten der Stand Kompressor von Logic, aber natürlich funktioniert die gleiche Technik auch hervorragend mit einem Multiband Kompressor/EQ wie z.B. dem “Waves C6 Sidechain”.
Die hier besprochenen Maßnahmen ermöglichen in der Summe eine umfassende Kontrolle über die Kick Drum, und dadurch auch über die Balance zwischen Kick und Bass. Nicht alles, was hier besprochen wurde, wird in jedem Mix zum Einsatz kommen – es gibt durchaus Producer, die ein Kick so liefern, daß sie perfekt im Mix sitzt.
In diesem Fall heisst es: aufdrehen und weiter gehts!
Ob der Bass im Mix so klingt, wie er soll, hängt in großem Maße davon ab, wieviel Platz die Kick Drum einnimmt, und wo der Bass frequenzmäßig relativ dazu stattfindet. Wenn dieses Konzept noch nicht klar genug ist, dann schlage ich vor, nochmal den Anfang dieses Artikels zu lesen, und in der besprochenen Art und Weise ein paar Songs zu analysieren.
KLEINE MERKLISTE ZUM THEMA BASS
• Um die Lautstärke jeder einzelnen Bassnote objektiv beurteilen zu können, braucht man hochwertige Lautsprecher mit einem großen Frequenzumfang, und einen sehr guten Abhörraum. Den meisten Wohnräumen, noch dazu wenn wenig oder keine akustischen Optimierungen getroffen wurden, kann man in dieser Hinsicht nicht trauen. Pegelanzeigen und Analyser sind ein gutes Hilfsmittel, aber was den Tiefbass-Bereich betrifft, kann man sich auch darauf allein nicht velassen.
• Hochwertige Kopfhörer haben hier ausnahmsweise ihren Platz. Wer keine optimale Abhörsituation hat, kann mit Hilfe eines Kopfhörers versuchen, per Automation jeder Bassnote die Objektiv gleiche Lautstärke zu geben.
• ein Bass-Sound, der im Mix funktioniert, hat selten übermäßige Energie im Subsonic-Bereich (unter 40 Hz), und wenn doch, dann ist es meist eine gute Idee diesen Bereich abzusenken, oder zumindest in Sachen Dynamik zu kontrollieren.
• Die meisten Lautsprecher können durchaus kurze Impulse von Frequenzen unter 40Hz verkraften, aber jeder länger ausklingendes Instrument das übermässige Energie in diesem Bereich hat, muss soweit reduziert werden, daß diese Frequenzen nicht die anderen Instrumente im Mix stören.
• Durch das Hinzufügen von Obertönen können tiefe Töne lauter erscheinen, ohne daß sie mehr Platz im Bassbereich verbrauchen.
• Auch wenn die Grundtöne der Bassnoten unter oder um 60Hz stattfinden, spielt der Frequenzbereich eine Oktave darüber eine wesentlich größere Rolle für die empfundene Lautstärke. Mein Artikel über Kompression und Obertöne beschäftigt sich mit diesem Phänomen.
• Sidechaining, wenn nicht gerade als genre-typischer Effekt verwendet, sollte nur als Notlösung verwendet werden, aber kann die in diesem Artikel besprochene Gesetze nicht außer Kraft setzen.
• Insbesondere in elektronischen Genres ist der Schlüssel zu einer guten Balance im Bass-Bereich die Feinabstimmung (im Sinne von „Tuning“) zwischen Kick Drum und Bass. Dissonanzen zwischen den beiden Instrumenten kosten wertvollen Headroom und Lautheit im Bassbereich, und der Mix wird nicht so sauber klingen wie vielleicht beabsichtigt.
• Der untere Frequenzbereich sollte für Instrumente reserviert sein, bei denen man die tiefen Frequenzen auch wirklich hört. In der Regel kann man sie an einer Hand abzählen. Wenn ein Instrument keine hörbaren Frequenzen unterhalb von 120Hz haben, sollte man dort einen Hochpass-Filter ansetzen. Dieser Platz wird dringend benötigt!
Ziel dieses Artikels war es, die wichtigsten Tipps und Tricks durchzugehen für eine gesunde Balance zwischen Kick Drum und Bass. Zu diesem Zeitpunkt bestimmen wir NICHT die Endlautstärke des Bassbereichs, daher sollte auf jeden Fall vermieden werden, irgendwelche tiefen Frequenzen anzuheben. Wieviel Bassgehalt der Mix am Ende hat, entscheiden wir zu einem späteren Zeitpunkt.
Wem dieser Artikel gefallen hat, sollte mal ins Inhaltsverzeichnis des Bestsellers YOUR MIX SUCKS reinschauen. Das eBook ist jetzt auch in deutscher Sprache erhältlich.